Die Musik spielt bei den Daten
Immer mehr Unternehmen entdecken Daten als Rohstoff für neue Geschäftsmodelle. Warum es für diese Daten auch Marktplätze braucht, erklärt Boris Otto, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST) und Projektleiter des dortigen Forschungsprojekts Industrial Data Space (IDS).
Herr Professor Otto, nicht nur die Bundesregierung spricht von Daten als wichtigem Rohstoff für die Wirtschaft und postuliert eine entstehende Datenwirtschaft. Warum sind dazu Datenmarktplätze nötig?
Boris Otto: Ein Schlüsselmerkmal der Digitalisierung der Wirtschaft ist die veränderte Rolle von Daten. Sie sind nicht mehr nur „Erfüllungsgehilfen“ von Geschäftsprozessen, sondern strategische Ressource innovativer Geschäftsmodelle. Dadurch werden Daten zu einem Wirtschaftsgut – also einem Gut, das gemäß Kosten, Zeit und Qualität bewirtschaftet wird. Unternehmen tauschen, verkaufen, handeln also nicht nur physische Güter, sondern vermehrt auch Daten. Es entstehen Datenmärkte – und für die braucht es Marktplätze.
Welches sind die größten Hürden, Daten zu teilen oder zu handeln und wie meistern Unternehmen diese Herausforderung?
Unternehmen haben erkannt, dass Daten ein Wirtschaftsgut sind, also einen Wert haben. Management-Ansätze für das Wirtschaftsgut Daten stecken aber noch in den Kinderschuhen. Daten verhalten sich in Teilen anders als physische Güter: Sie können beispielsweise geteilt werden, ohne dass sich ihr Wert mindert. Das stellt uns vor Herausforderungen. Zudem müssen wir wirksame Verfahren haben, um den Wert der Daten bestimmen und ihre Nutzung kontrollieren zu können. Ganz wie bei physischen Gütern, etwa Rohstoffen oder fertigen Produkten.
Als Mitglied des Industrial Data Space startet die Deutsche Telekom jetzt den Data Intelligence Hub, einen Datenmarktplatz mit angeschlossener Werkstatt für Künstliche Intelligenz. Welche Vorteile sehen Sie darin, dass dieser Hub große Teile der IDS-Konzepte implementiert?
Die IDS-Initiative steht für Datensouveränität, also die Fähigkeit, die Nutzungsregeln der eigenen Daten bestimmen zu können und den Daten selbst auch mitzugeben. Dies ist eine zwingende Voraussetzung, damit Datenmarktplätze funktionieren. Die Telekom sehe ich mit dem Data Intelligence Hub in einer marktführenden Rolle, weil sie den Teilnehmern des Datenmarktplatzes einen vertrauenswürdigen und souveränen Datenaustausch anbieten kann. Dies ist ein Wettbewerbsvorteil.
Sie sind Mitbegründer der International Data Spaces Association mit inzwischen fast 100 Mitgliedsfirmen. Haben Ihre Mitglieder einen Wettbewerbsvorsprung beim Rohstoff Daten – konzeptionell, im Mindset, bei der Technologie?
Wir sehen viele Fälle, in denen die Bedeutung der Daten diejenige der physischen Güter übersteigt, etwa beim 3D-Druck. Die Druckdateien sind fast wichtiger als die Fertigungsanlage und der Rohstoff. In Zukunft spielt also die Musik bei den Daten, der Erfolg von Geschäftsmodellen wird darauf beruhen. Das funktioniert aber nur, wenn der Besitzer der Daten auch über sie bestimmen kann. Hierfür braucht es einen internationalen Standard, den wir gemeinsam in der IDSA entwickeln. Nur wer hier mitmacht, kann den Standard mitgestalten. Daher: Ja, die Mitglieder der IDSA haben einen Wettbewerbsvorteil.
Künstliche Intelligenz und Data Analytics gelten zur Zeit als höchste Veredlungsstufe in der Datennutzung. Welche Potenziale sollten die Unternehmen dort als erste erschließen?
Grundsätzlich geht es darum, durch die effektivere und effizientere Nutzung sämtlicher verfügbarer Daten bessere Entscheidungen zu treffen – und zwar in allen Bereichen eines Unternehmens. Dazu müssen alle Schritte von der Erzeugung und Beschaffung über die Aufbereitung, Qualität und Integration bis zur Nutzung der Daten in Verfahren der künstlichen Intelligenz als durchgängige Wertschöpfungskette gesehen werden, als Data Value Chain. Und nicht als eine Serie unzusammenhängender Datenverarbeitungsfunktionen.
Wo wird das bereits gemacht?
Ein reifes Anwendungsbeispiel scheint mir die prädiktive Instandhaltung zu sein. Hier erzielen bereits viele Unternehmen gute Erfolge. Generell wird es so sein, dass immer dort, wo Daten im sogenannten Ecosystem – also im Verbund verschiedener Akteure um einen gemeinsamen Kundennutzen – gemeinschaftlich genutzt werden können, jeder davon profitiert. Beispiele hierfür sind die Nutzung von Werkstoffeigenschaftsdaten entlang des ganzen Produktlebenszyklus sowie die gemeinsame Nutzung von Relationen- und Routendaten beim sogenannten Platooning auf Autobahnen, also bei der virtuellen Verkopplung von LKW mit gleichem Ziel.
Welche Branchen profitieren am ehesten oder am meisten von KI und Data Analytics?
Generell können wir beobachten, dass sich die Grenzen zwischen den klassischen Branchen auflösen. Die Innovationsbereiche wie Mobilität, Energie, Logistik und Gesundheit machen nicht mehr an den herkömmlichen Branchengrenzen halt, sondern hier entsteht Innovation interdisziplinär. Deswegen finden wir meiner Einschätzung nach das höchste Potenzial für KI und Data Analytics auch in solchen neuartigen Ecosystem-Szenarien.
Wie wichtig ist der branchenübergreifende Datenaustausch?
Die genannten Ecosysteme haben eines gemein: Kein Akteur allein besitzt alle Daten, um disruptive Angebote für Mobilität, Energie, Logistik und Gesundheit zum Fliegen zu bringen. Diese Akteure müssen sich zusammentun und Daten gemeinschaftlich nutzen. Und da sind wir beim branchenübergreifenden Datenaustausch und bei Data Analytics.
Herr Professor Otto, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Pamela Buchwald
IoT Marketing Communication Manager
Pamela Buchwald ist seit 2016 Teil des Telekom Kosmos und mit dem Bereich Internet der Dinge bestens vertraut. Von allgemeinen IoT Trends bis hin zu Branchen-Know-how und vernetzter Mobilität beleuchtet sie hier auf dem Blog spannende Themen rund um vernetzte Dinge.
Pamela Buchwald
IoT Marketing Communication Manager
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