Herausforderungen des Autonomen Fahrens
Längst sind die ersten autonomen Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs – doch ist auch der Autofahrer bereit für das selbstfahrende Auto? Welche Herausforderungen Technologie und Gesetzgeber noch meistern müssen.
Es war kurz nach 22 Uhr und stockdunkel, als die Frau in Tempe im US-Bundesstaat Arizona Mitte März auf die Fahrbahn trat. Das in dem Moment vorbeifahrende Fahrzeug – ein Roboterwagen des US-Fahrdienstes Uber – machte laut Polizei keine Anstalten abzubremsen. Die Folge: Einer der ersten tödlichen Unfälle, die durch einen autonom fahrenden Wagen verursacht wurde. Der Grund: Die vielen Sensoren des High-Tech-Mobils waren abgeschaltet und erkannten daher nicht, dass sich eine Person mit Fahrrad näherte. Laut Uber sind Notbrems-Manöver abgeschaltet, wenn das Fahrzeug vom Computer gesteuert wird, um ein unberechenbares Verhalten des Fahrzeugs zu vermeiden. Stattdessen soll der Sicherheitsfahrer selbst in Aktion treten, müsse sich aber auf seine Augen verlassen, denn das System sieht keine Warnmeldungen an den Operator vor.
Der Unfall in Tempe fachte auch in Deutschland die Diskussion um Technologie und Gesetzgebung rund ums Autonome Fahren neu an – auch wenn Prognosen eindeutig belegen, dass der Verkehr durch selbstfahrende Autos sogar sicherer werden wird. Entwickler von Roboterwagen argumentieren, dass 90 Prozent der Verkehrsunfälle auf Fehler von Menschen zurückgingen und die Technik autonomer Fahrzeuge diese verhindern werde. Eine Möglichkeit, um die Sicht des Fahrzeugs auf seine Umgebung weiter zu verbessern, ist, die Sensoren um eine Mobilfunkanbindung zu ergänzen. So können selbstfahrende Autos über weite Entfernungen miteinander oder mit anderen Verkehrsteilnehmern sprechen und auch Staus hinter Kurven und Fahrradfahrer hinter Hauswänden vorhersehen.
Deutsche Autofahrer sind dem Thema „Autonome Fahrzeuge“ gegenüber durchaus positiv eingestellt. Laut einer aktuellen TÜV-Rheinland-Studie zum Thema „Sicherheit autonomer Fahrzeuge“ würden drei Viertel der deutschen Autofahrer ein solches Fahrzeug nutzen. Eher skeptisch bleiben sie aber bei Aspekten wie Datenschutz, dem Schutz vor Cyber-Kriminalität und der funktionalen Sicherheit bei fortschreitender Automatisierung. Auch, weil die Zahl der Hürden und Gesetzeslücken noch groß ist. Hier einige Beispiele solcher Hürden:
FEHLENDE ERFAHRUNGEN IM STADTVERKEHR
Während auf Autobahnabschnitten bereits selbstfahrende Testwagen unterwegs sind, gibt es im Stadtverkehr noch wenig Erfahrung mit dem automatisierten Fahren. Dabei gilt es hier, viel mehr Einflüsse zu verarbeiten, etwa die Begegnung mit Kindern, Radfahrern und älteren Menschen. Oder das Stop-and-Go an Ampeln und Kreuzungen – ein Verkehrsszenario, für das auch eine direkte Car2X-Vernetzung per LTE-V, bzw. zukünftig 5G-V2X, nötig wäre.
200 LÜCKEN FÜR HACKER
Ein vernetztes Auto bietet viele Schnittstellen, die ein Hacker ins Visier nehmen könnte: ob Diagnoseschnittstelle (OBD), Mobilfunk oder USB. Und je mehr Technik, desto mehr Sicherheitsmaßnahmen sind notwendig. IT-Sicherheit ist daher die Voraussetzung für Fahrsicherheit, denn in letzter Konsequenz geht es um den Schutz von Leben. Laut einer aktuellen Studie des TÜV Rheinland besteht bei den Verbrauchern grundsätzlich die Bereitschaft, Daten an Automobilhersteller zu übermitteln. Doch 30 Prozent der Befragten in Deutschland sind skeptisch, ob diese Daten auch tatsächlich sicher geschützt sind. Die Automobilindustrie ist sich der neuen Anforderungen bewusst und arbeitet intensiv daran, ihre Fahrzeuge gegen Cyberangriffe abzusichern. Dazu gehören etwa das Projekt AUTOSAR für die Entwicklung von Standards für Steuergeräte-Software oder Prämienprogramme für die Meldung von Sicherheitslücken.
GESETZE VON 1968
Die Gesetze, die das Autonome Fahren berühren, sind noch nicht auf dem neuesten Stand. In Deutschland gilt immer noch das Wiener Übereinkommen von 1968. Demnach muss ein Fahrer stets die Kontrolle über das Fahrzeug haben. Zwar hat der Bundestag im März 2017 eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen. Doch es bedarf darüber hinaus einer Änderung der internationalen Regelung, die autonome Lenkanlagen bislang ausschließt.
UNAUSWEICHLICHES MORALISCHES DILEMMA
Eine vom Bundesverkehrsministerium eingesetzte Ethik-Kommission hat im letzten Jahr 20 Thesen für die Programmierung automatisierter Fahrsysteme vorgelegt. Lasse sich ein Unfall nicht vermeiden, schlagen die Experten vor, den Schutz von Menschen immer stärker zu gewichten als den von Sachen und Tieren. Doch wie würde ein Auto in einer Gefahrensituation entscheiden, wenn es sich etwa zwischen dem Leben eines Kindes und dem eines Rentners entscheiden müsste? Ein unausweichliches moralisches Dilemma für den Menschen, weshalb diese Aufgabe künftig auch das Fahrzeug übernehmen muss. Auf Basis eines Algorithmus wird Energie aus dem Fahrzeug aufgewendet, um in so einem Fall so stark wie möglich zu bremsen.
DATENHOHEIT BEIM FAHRER
Mit zunehmender Vernetzung wird die Menge an erfassten Daten steigen. „Die Datenmengen werden mit automatisiertem und vernetztem Fahren explodieren“, sagte der Leiter der Ethikkommission zum autonomen Fahren, Udo Di Fabio bei der Vorstellung des Berichts der Ethik-Kommission im letzten Juni. Daher fordert die Kommission: Die Fahrzeughalter müssen entscheiden dürfen, wer welche Daten von ihnen bekommt – eine Forderung, die auch durch die neue DSGVO gedeckt ist.
WER HAFTET?
Bundestag und Bundesrat haben im Frühjahr 2017 ein Gesetz beschlossen, das die Haftung bei selbstfahrenden Autos regelt. Grundsätzlich gilt: Ist das Fahrzeug im Autopilot-Modus unterwegs, haftet der Hersteller, sonst der Fahrer. Doch wer ist am Ende für Fehler verantwortlich: Der Software-Zulieferer? Der Hersteller? Der Mobilfunkanbieter?
„Am Ende wird die Akzeptanz weniger von der Technik abhängen als davon, was darüber hinaus geboten wird“, sagt Tim Lehmann vom Institut für urbane Mobilität. Dann könnte die Spielkonsole im Fahrzeug wichtiger sein als der Datenschutz.
Daniel Kunz
Expert Digital Marketing
Digitalisierung und das Internet of Things gehören zu den Lieblingsthemen von Daniel Kunz. Er ist seit 2017 bei der Deutschen Telekom und schreibt regelmäßig über Technologie-Trends und viele spannende Themen vor allem für den Handel und die Logistik-Branche.
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