Mit IoT die Lieferkette wieder hochfahren

03.06.2020 by Ümit Günes

Geschäftsmann mit Tablet hat die Supply-Chain im Blick


Um nach einem Produktionsstillstand die Supply Chain wieder in Gang zu bringen, ist Transparenz oberstes Gebot. Dabei helfen vernetzte Tracker und das Internet der Dinge.

Das Riesenproblem beginnt verhältnismäßig klein: Weil das Management sich bei der Planung verkalkuliert hat, im Lager nicht ausreichend Material vorhanden ist und die Mitarbeiter streiken, muss eine kleine Gießerei in Spanien ihre Produktion stoppen. Folge des Problems: eine europaweite Kettenreaktion. Denn der Hauptkunde des Betriebs, ein großer deutscher Automobilzulieferer, ist auf die Gehäuseteile aus Spanien angewiesen. Er beliefert seine Kunden – OEMs aus der Automobilindustrie – just-in-time mit den fertigen funktionalen Baugruppen. Diese Lieferung ist nun in Gefahr, weil sich seine Lager mit den dafür benötigten Gehäusen mangels Nachschub aus Spanien rasch leeren. Dass der Zulieferer für diese Komponente auf Single Sourcing gesetzt hat, also diese Teile von nur einem Hersteller bezieht, wird nun zu seinem Problem: Er kann kurzfristig keinen Ersatz beschaffen.

Also muss das Unternehmen die Produktion sofort drosseln, einzelne Schichten fallen aus. Ganz zu schweigen von den drastischen Vertragsstrafen, die dem Zulieferer drohen, wenn er seine Zusagen nicht einhalten kann. Und bei den Automobilkonzernen drohen die Bänder stillzustehen – Millionenverluste inklusive.

Leitstand als zentrale Sammelstelle für Informationen

Was für Unternehmen wie den Automobilhersteller und seine Zulieferer eine extreme Ausnahmesituation darstellt, ist für Hanselmann & Compagnie ein vertrautes Szenario: Die Beratungsfirma aus Stuttgart optimiert Geschäfts-, Produktions- und Entwicklungsprozesse in Unternehmen. Ein Schwerpunkt: Krisen- und Recovery-Management. In diesem Fall hieß das, die brachliegende Lieferkette wieder in Gang zu bekommen. Beim Zulieferer in Deutschland installierte Hanselmann einen Experten-Leitstand, bei dem alle Informationen aus der Supply Chain zusammenlaufen – unter anderem Meldungen der Logistik über Warenmengen und Zeitpunkte von Produktionsabschlüssen, Endkontrollen, Verladen und Abfahrten. Außerdem die Ankunft der Warentransporte am Tor, Wareneingang, Lager und an der Produktionsstation. Jede einzelne Position im Warenfluss wird im Leitstand erfasst: Welche Ware wird wann in welcher Menge wohin geliefert? Das Ziel: Transparenz über sämtliche Material- und Informationsflüsse herzustellen.

Expresslieferung per Helikopter

Darüber hinaus musste Hanselmann den drohenden Bandstillstand beim OEM unbedingt verhindern. Die Lösung: Sobald eine Baugruppe fertig produziert war, wurde sie per Hubschrauber zum Hersteller geflogen. Das sparte Zeit und war immer noch günstiger als die drohenden finanziellen Schäden bei einem Produktionsausfall. Außerdem stellte der Zulieferer in dieser Zeit die Produktion von Zwei- auf Drei-Schichtbetrieb um, auch am Wochenende standen die Bänder nicht still. Viele der 200 Lieferanten für die etwa 80 Komponenten mussten ihre Produktion ebenfalls um 20 bis 30 Prozent erhöhen. Vorsorglich wurden alle Bestände und Lieferleistungen der beauftragten Betriebe überprüft, um die notwendige Produktionserhöhung gewährleisten zu können. Für alle beteiligten Unternehmen eine Extremsituation, die mit erheblichem Aufwand verbunden war. Das Ergebnis rechtfertigte die Mittel: Nach zwei Monaten war der durch die Lieferengpässe entstandene Produktionsrückstau beseitigt.

Track & Trace für Transparenz beim Transport

Um künftig digital Transparenz in Lieferketten zu bekommen, hat Hanselmann eine Partnerschaft mit der Deutschen Telekom im Bereich des Internets der Dinge (Internet of Things; IoT) gestartet. Die Beratungsfirma setzt derzeit als Pilotprojekt unter anderem Asset Tracker der Telekom für die Transportüberwachung ein, mit denen sich beispielsweise Transporteinheiten wie Gitterboxen oder Paletten ausstatten lassen. Die Tracker senden ihre Position regelmäßig via GPS, Mobilfunk oder WLAN an die IoT Cloud der Telekom. Mit entsprechenden Sensoren ausgestattet, überwachen solche intelligenten Trackingmodule auch den Zustand der Ware, etwa Temperatur oder Feuchte. Über ein Web-Dashboard können die Recovery Manager im Leitstand den Weg der Ware innerhalb des Werkes und auf dem Transportweg verfolgen – auf die Minute und den Meter genau.

Zwar sind auch die Lkw mit GPS ausgestattet, deren Position lässt sich also verfolgen. Doch der Vorteil des Produkttrackings: Hier bleibt jede einzelne Charge immer im Blick, auch bei einer Umbeladung auf ein anderes Transportmittel. Dank der Digitalisierung mit vernetzten Trackern lässt sich die Position dann in Echtzeit abfragen – und das Unternehmen kann die Produktion minutengenau darauf einstellen. „Wenn ich weiß, die dringend benötigte Ware ist in einer Viertelstunde am Tor, kann ich den LKW priorisiert abwickeln lassen“, sagt Sebastian Mank, Senior Projektleiter bei Hanselmann. „Der Wareneingang kann den LKW vorziehen, die Intralogistik steht bereit und die Produktion weiß, in einer halben Stunde kann es weitergehen.“

So unterstützt die Telekom das Recovery Management von Hanselmann & Compagnie:

  • Kopplung von IoT-Geräten und Sensoren mit Komponenten aus dem Manufacturing Execution System (MES)
  • Maschinenanbindung (M2M)
  • Track & Trace von Teilen und Komponenten
  • vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance)
  • automatisierte Steuerung
  • Integration von mobilen Endgeräten
  • Logistik-Lösungen

Steht an einer Stelle in der Lieferkette die Produktion still, ziehen sich zeitverzögert die Probleme durch die gesamte Supply Chain – vom kleinen Betrieb bis zum großen Hersteller. Der Grund kann wie im Beispiel ein Streik oder Missmanagement sein oder, wie aktuell zu beobachten, eine weltweite Krise. Die Blockade in der Produktionskette kann auch oben beginnen: Wenn große OEMs ihre Fabrikation herunterfahren oder gar einstellen müssen, bleiben die Aufträge an die Zulieferer aus. Diese müssen daraufhin ihre eigene Produktion drosseln. Zeichnet sich dann irgendwann eine Besserung ab, fragt der OEM frühzeitig bei den Lieferanten nach Wiederaufnahme der Lieferfähigkeit. Die Zulieferer wiederum können ihre Mitarbeiter aber erst wieder an die Bänder schicken, wenn sie konkrete Aufträge haben. Die Herausforderung für eine Beratungsfirma wie Hanselmann: möglichst viel Transparenz schaffen – in der Kommunikation und in der Logistik.

Herausforderung als Chance begreifen

„Eine solche Krise birgt auch eine große Chance“, sagt Projektleiter Mank. „Unternehmen könnten sich jetzt langfristig viel stabiler aufstellen, indem sie sich die einzelnen Glieder ihrer Lieferkette anschauen: Welches ist das schwächste?“ Gemeint seien sowohl die Prozesse im eigenen Unternehmen als auch die Lieferanten entlang der Lieferkette: „Ob kompatible Systeme für Homeoffice, die optimale Auslastung der Produktion mit einer geringen Zahl an Mitarbeitern oder multiplere, regionalere Sourcing-Strategien – es gibt eine Vielzahl an Verbesserungspotenzialen, die uns die Krise vor Augen führt. Es gilt, nicht nur akute, sondern nachhaltige Lösungen dafür zu finden, um die jetzigen Probleme bei zukünftigen Krisen zu vermeiden.“ Beim Wiederherstellen von Lieferkette und Produktion nach einem Stillstand sei Reaktionsgeschwindigkeit gefragt: „Wer schnell ist, kann sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen“, so Mank.

Eine ins Stocken geratene Lieferkette stellt Hanselmann nach einem mehrstufigen Plan wieder her. Schließlich müssen alle Komponenten in der richtigen Menge und der richtigen Reihenfolge am richtigen Ort sein, damit alles reibungslos laufen kann. Im Zentrum des Rettungsplans: Die Daten aus dem Tracking – diese liefern sämtliche Informationen, auf denen alle folgenden Schritte basieren:

  • die Situation der Lieferanten abfragen und bewerten
  • Kundenbedarfe prüfen
  • Logistik und Lieferkette überwachen
  • Produktionshochlauf planen
  • Lieferrückstand abbauen

Ecosystem aus Technologiepartnern

Um seinen Kunden alles aus einer Hand anbieten zu können, setzt Hanselmann auf ein digitales Ecosystem aus erfahrenen Technologiepartnern, um seinen Kunden passgenaue spezifische Lösungen anbieten zu können. Das Ziel: einen durchdachten, individuellen Transfer vom Geschäftsprozess auf die Digitalisierungslösung herzustellen. So bleibt der relative Wettbewerbsvorsprung erhalten. Zu den Partnern gehören Spezialisten für Business-Process-, Content und Enterprise-Information-Management sowie IT-Dienstleister. „Mit der Deutschen Telekom haben wir einen Partner gefunden, der bei Unternehmen in Deutschland und Europa ein hohes Ansehen genießt“, sagt Bernhard Braun, Leiter der Business Unit Digital bei Hanselmann und verantwortlich für das Ecosystem der Technologiepartner. „Da ist Vertrauen da, vor allem wenn es um Datenschutz geht. Wir profitieren zudem vom Know-how und dem sofortigen Support durch Telekom-Experten im laufenden Betrieb und der schnellen Reaktionszeit, die uns das Tracking & Tracing ermöglicht.“ Die Telekom wiederum profitiert von den vertrauensvollen Kundenbeziehungen, die Hanselmann als Dienstleister mit Fokus auf das Beratungsgeschäft unterhält, wo sie als Trusted Advisor agieren.

Die Auswirkungen eines Bänderstillstands ziehen weite Kreise. Schließlich hängen an jedem großen OEM Dutzende Zulieferer mit wiederum Hunderten Einzelbetrieben, die alle mehr oder weniger schwer von Verwerfungen in der Produktion betroffen sind. In einer solchen Krise müssen alle Beteiligten Hand in Hand arbeiten. Basis ist vollständige Transparenz – in Fertigung, Lieferkette und Logistik. Die Zusammenarbeit zwischen Hanselmann und Telekom stellt diese nötige Transparenz her, sorgt für eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit und bringt so einen Mehrwert für alle beteiligten Betriebe in der Supply Chain. Tools und Methodiken kann der Kunde nach Bewältigung der Krise in seinen Regelbetrieb übernehmen. Produktion und Transport laufen dank dieses Skilltransfers effektiver und langfristig stabiler. Zugleich können Lösungen wie Track & Trace, die schnell die Vorteile des Internets der Dinge aufzeigen, Türöffner sein für eine Digitalisierung der kompletten Logistik und Produktion.


 

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Ümit Günes
Ümit Günes

IoT Marketing Manager

Seit 2008 ist Ümit bei der Telekom tätig und verfügt über umfassendes Wissen in vielen Bereichen des Internet of Things. Sein besonderes Interesse gilt der Digitalisierung des Geschäftskunden. In diesem Blog teilt er aktuelle Entwicklungen und Trends aus der IoT-Welt, die für Kunden echten Mehrwert bieten.