Alles unter Kontrolle auf der vernetzten Baustelle

02.02.2022 by Ümit Günes

Ingenieur überwacht Baugrube per Tablet


Von der Zeiterfassung über die Lokalisierung von Werkzeug, Gerätschaften und Fuhrpark bis zur Absicherung der Baugrube per Sensorik lassen sich bereits heute viele Abläufe auf der Baustelle digitalisieren.

Mit erstaunlicher Geschwindigkeit und Präzision fährt der zwei Zentner schwere Druckkopf entlang des vom Computer vorgegebenen Grundrisses und trägt Betonschicht auf Betonschicht – bis die Innenwand fertig ist. Nach einigen Wochen, etwa 100 Stunden reine Arbeitszeit später, steht das erste Haus komplett aus dem 3D-Drucker. Gerade einmal drei Spezialisten mussten vor Ort sein, um die Maschine zu bedienen und zu überwachen. Die Zukunft des Bauens?

Die Baustelle – ein komplexer Arbeitsplatz

Möglicherweise irgendwann. Doch bis dahin werden Baustellen weiter ein komplexer Spielplatz für Fahrzeuge und Werkzeuge, Arbeiter und Arbeiterinnen, Geräte und Maschinen aller Art sein. Ein Spielplatz, auf dem es noch vergleichsweise analog zugeht. Laut Digitalisierungsindex 2021 haben erst 38 Prozent der Betriebe in der Baubranche die Digitalisierung fest in ihrer Geschäftsstrategie verankert; der Durchschnitt im deutschen Mittelstand liegt bei 53 Prozent. „Auf der Baustelle stockt die digitale Kette“, sagte Christoph Gelen von der TU München kürzlich dem Magazin „Spiegel“ (40/2021). „Gebäude werden immer noch mit sehr viel Handarbeit hochgezogen.“


 

„Auf der Baustelle stockt die digitale Kette.“

– Christoph Gelen, Professor für Werkstoffe, TU München


 

Viele Abläufe auf einer Baustelle lassen sich aber bereits heute digitalisieren – und somit effizienter und sicherer gestalten (siehe Infobox). Mittendrin: das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT).

Die Baugrube absichern

Um Arbeiter vor nachrutschendem Erdreich zu schützen, werden Baugruben beispielsweise durch Spundwände aus Metall oder Beton abgesichert. Kraftmessdosen erfassen, wie stark die Spundwände belastet sind. Beim bayerischen Bauunternehmen Bauer AG musste bisher regelmäßig ein Techniker zur Baustelle rausfahren und die Dosen überprüfen. Die Messwerte hielt er auf Papier fest; die Daten konnten oft erst nach Tagen ausgewertet werden. Schäden an den Spundwänden, die in der Zwischenzeit auftraten, kamen verspätet zum Vorschein – und wären bei zeitnaher Reaktion oft vermeidbar gewesen.

Diese Fragen rund um die Baustelle lassen sich mit digitalen Lösungen beantworten:

  • Wer darf alles auf die Baustelle?
  • Stimmen die Arbeitszeiten meines Teams?
  • Wann wird der volle Container abgeholt?
  • Wurde das Gerüst der Regelprüfung unterzogen?
  • Ist noch ein Radlader verfügbar?
  • Wo ist mein Baumaterial und in welchem Zustand ist es?

Jetzt sorgen IoT-Sensorik und Vernetzung für mehr Sicherheit: Die Kraftmessdosen hat Bauer mit Funksendern bestückt. Eine robuste, lokale IoT-Steuerungseinheit empfängt die Signale aller Messdosen in der Grube und wertet sie aus. Wird ein definierter Grenzwert überschritten, löst das Gerät auf der Baustelle einen Alarm aus, der alle Mitarbeitenden warnt. Über das LTE-Mobilfunknetz der Deutschen Telekom sendet die Einheit alle Messwerte kontinuierlich in die Cloudplattform von Bauer, wo die Daten visualisiert werden. Der verantwortliche Ingenieur wird per Mail über mögliche Vorfälle informiert. Kritische Werte lassen sich dank Sensorik und Netz deutlich früher feststellen und beheben und Schäden damit verhindern. Regelmäßige Kontrollfahrten zur Baustelle entfallen – das spart Zeit und Kosten. Der Vergleich mit historischen Daten und anderen Baustellen ermöglicht dem Unternehmen zudem, Konstruktionen und Projekte zu optimieren.

Den Überblick über Gerätschaften behalten

Auf großen Baustellen ist es oft schwierig, den Überblick über alle Geräte und Werkzeuge zu behalten. Listen auf Papier verschmutzen oder gehen verloren; fehlt ein Bohrhammer oder eine Nutfräse, fällt das oft erst beim Aufräumen auf. Das Bauunternehmen Otto Heil hat kurzerhand alle wertvollen Arbeitsutensilien auf der Baustelle mit Bluetooth-Beacons und NFC-Tags ausgestattet. Jetzt lassen sich Werkzeuge und Geräte schnell auffinden. Über eine Anbindung an das ERP-System des Betriebs lässt sich außerdem transparent nachvollziehen, wann und wie lange einzelne Gerätschaften im Einsatz waren. Und auch die Inventur ist so wesentlich schneller erledigt.

Die größeren Assets auf einer Baustelle hat syniotec im Blick: Das Start-up hat eine Software entwickelt, mit der sich Auslastung und Standort von Maschinen und Fahrzeugen auswerten lassen. Denn Bauunternehmen wissen oft nicht genau, wie Radlader, Raupenbagger oder Rüttelplatte aktuell genutzt werden, wo sie sich gerade befinden und wann sie wieder gebraucht werden. Diese Daten kann das IoT liefern. Telematikmodule erfassen etwa Position, Betriebsstunden oder Motorstatus und senden die Informationen via Mobilfunk in die Cloud. Jetzt haben Hersteller und Nutzer ihre Baumaschinen jederzeit im Blick.

Bautrupps effizient einsetzen

Digitalisierung bietet sich natürlich auch im Personalwesen an. Wo genau und wie lange ist welcher Arbeitstrupp auf welcher Baustelle unterwegs? Solche Fragen hat der Malereibetrieb Dekora bislang mit Papierstundenzetteln beantwortet, deren Daten irgendwann händisch in eine Excel-Tabelle übertragen wurden. Jetzt ist der gesamte Vorgang der Zeiterfassung automatisiert. Auf größeren Baustellen melden sich die Mitarbeiter an einem Terminal im Baucontainer an und ab. Das Terminal sendet die Arbeitszeit per Mobilfunk über eine DATEV-Schnittstelle automatisch an die Lohnbuchhaltung. Auf kleineren Baustellen oder bei Springereinsätzen erfassen die Mitarbeiter ihre Stunden über eine Smartphone-App. Der Teamleiter ist stets informiert, auf welcher Baustelle sein Team aktuell eingesetzt ist. In jedem Terminal ist zudem der entsprechende Auftrag für die Baustelle hinterlegt. So ist ein automatischer Übertrag ins ERP inklusive Rechnungsstellung möglich. Exakte und tagesaktuelle Daten erlauben eine genaue Nachkalkulation der Projekte. Ein weiterer Schritt zur papierlosen Baustelle.

Ausblick: Die vernetzte Baustelle der Zukunft

Dies sind nur einige Beispiele aus der Praxis, die zeigen, wie die Nutzung von Technologien wie dem Internet of Things, Vernetzung und Cloud Computing die Bauindustrie schon heute digitaler machen. Geofencing registriert Diebstähle wertvoller Maschinen und Fahrzeuge, Predictive Maintenance verlängert ihre Betriebsdauer und verhindert Ausfälle, ein digitales Zutrittsmanagement sichert die Baustelle ab – die Liste lässt sich fortsetzen. Zukünftig werden 5G-Campusnetze alle Gewerke, Maschinen und Fahrzeuge mit schnellem, sicherem Internetzugang versorgen, zum Beispiel für die Automatisierung oder eine Maschinensteuerung aus der Ferne. Selbstfahrende Transporteinheiten werden auf der digitalen Baustelle Material von A nach B bewegen und dabei auf 3D-Geländemodelle und Künstliche Intelligenz (KI) zurückgreifen. Building Information Modeling (BIM) und Digital Twins werden Bau und Gebäude komplett transparent machen – auch im späteren Betrieb. Und Roboter und 3D-Druck werden dem Menschen anstrengende und zeitraubende Arbeiten abnehmen.


 

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Ümit Günes

IoT Marketing Manager

Seit 2008 ist Ümit bei der Telekom tätig und verfügt über umfassendes Wissen in vielen Bereichen des Internet of Things. Sein besonderes Interesse gilt der Digitalisierung des Geschäftskunden. In diesem Blog teilt er aktuelle Entwicklungen und Trends aus der IoT-Welt, die für Kunden echten Mehrwert bieten.