Saga Card: Transparenz in pharmazeutischen Lieferketten

03.05.2024 by Annalena Rauen

Karton mit COVID-19-Impfstoffen, Nahaufnahme


 

Von der Produktion bis zum Patienten: Wie Pharmahersteller und Logistikdienstleister dank eines smarten IoT-Geräts mit integrierter SIM einen bisher unerreichten Einblick in ihre Lieferketten erhalten und Ausschuss vermeiden.

Covid-19 setzte die Pharmahersteller weltweit unter Druck: In kürzester Zeit mussten Patienten mit Impfstoffen versorgt werden. Die Lieferketten kamen dadurch schnell an ihre Grenzen. Statt wie üblich Arzneimittel zu 500 Distributionszentren zu transportieren, musste ein US-Hersteller – eines der fünf größten Pharmaunternehmen der Welt – plötzlich Vakzine direkt zu 70.000 Empfängern wie Krankenhäuser und Kliniken bringen; eine komplexe logistische Herausforderung.

Hier trat Controlant mit seiner Lösung für Echtzeit-Transparenz in der Lieferkette auf den Plan. Der Anbieter mit Sitz im isländischen Kópavogur konnte seine Erfahrungen während der Schweinegrippe einige Jahre zuvor nutzen (siehe Infobox) und den Herstellern eine erprobte IoT-Lösung bieten, um die Lieferkette im Blick zu behalten und in Echtzeit auf Abweichungen zu reagieren. Jetzt hat Controlant in Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom und einer Reihe weiterer Partner die Saga Card angekündigt, ein neues Überwachungsgerät, das den Weg der Medikamente von der Produktion bis zum Patienten verfolgen kann.

Die Herausforderungen pharmazeutischer Lieferketten

Warum ist das wichtig? Der Transport pharmazeutischer Produkte unterliegt strengen Auflagen. Vor allem muss die Kühlkette strikt eingehalten werden. Wenn extreme Temperaturschwankungen während des Transports oder der Lagerung die zulässigen Temperaturbereiche eines Medikaments überschreiten, kann die Patientensicherheit gefährdet sein. In diesen Fällen muss das Medikament entsorgt werden.

Nach Angaben der Unternehmensberatung Roland Berger entstehen der Pharmaindustrie dadurch jährlich Verluste in Höhe von rund 35 Milliarden Dollar. Darin enthalten sind der Wert der verlorenen Produkte sowie die Kosten für die Neuherstellung und den Vertrieb von Ersatzbeständen sowie für die Ursachenanalyse. Wenn die Lieferkette unterbrochen ist, erreichen die Medikamente verspätet oder in nicht mehr akzeptablem Zustand ihr Ziel, was sich auf den Endverbraucher auswirkt: den Patienten. Produktverluste sind zudem eine schwere Belastung für die Umwelt. Um rechtzeitig liefern zu können, transportieren die Unternehmen die Ersatzlieferungen regelmäßig per Luftfracht, was zu einer Verdoppelung der Treibhausgasemissionen führen kann.

Controlant: Vom Super Jeep zu Medikamenten und Impfstoffen

Eine Gruppe von Freunden, die an der University of Iceland studierten, gründeten Controlant 2007 mit der Idee, mobile Sensoren über Mobilfunk zu vernetzen. Der erste Auftrag für das Start-up war, den Reifendruck der beliebten Super Jeeps zu überwachen, die Abenteurer zu den isländischen Gletschern bringen. Mit der Unterstützung der Behörden bei der Bekämpfung der Schweinepest kam der Schritt in die Pharmaindustrie und die Erkenntnis, dass ihre Monitoring-Lösung genau das war, was die Industrie brauchte. Während Covid-19 wurde Controlant dann zu einem der führenden Unternehmen für die Digitalisierung medizinischer Transporte. Mittlerweile arbeiten die Isländer mit einem Dutzend der weltgrößten Pharmaunternehmen und Logistikdienstleister zusammen, um pharmazeutische Lieferketten sicherer, effizienter, nachhaltiger und transparenter zu machen.


 

Da die Sicherheit der Patienten für die Pharmaindustrie oberste Priorität hat, dürfen vor allem die Vorräte an lebensrettenden Arzneimitteln nie zur Neige gehen. Aus diesem Grund müssen Unternehmen, denen es an Transparenz in der Lieferkette mangelt, große Sicherheitsbestände vorhalten, was die finanziellen und ökologischen Kosten weiter erhöht. Und wenn beim Management der Lieferkette alles nach Plan läuft, überschreiten Medikamente, die nicht benötigt werden, zwangsläufig ihr Verfallsdatum. "Ob beschädigt, verloren gegangen oder abgelaufen, das summiert sich zu einer Menge Abfall", sagt Gunnar Sigurdsson, Produktmanager bei Controlant.

Wie das Internet of Things Lieferketten transparenter macht

Technologien zur Echtzeittransparenz in der Lieferkette wie etwa IoT-Monitoring bieten Einblicke in die Versandbedingungen und -orte und ermöglichen so ein schnelles Handeln zum Erhalt der Produktintegrität. Controlant hat als bewährte Lösung zum Überwachen von Lieferungen den Saga Logger im Programm. Mit dem IoT-Gerät, etwa so groß wie eine Schachtel Kopfschmerztabletten, lässt sich ein Container oder eine Palette mit Medikamentenkartons von der Herstellung über das Lager bis zum Logistikzentrum verfolgen. „Mit unserer neuen Saga Card erweitern wir jetzt die Sichtbarkeit in der Lieferkette – von der Produktion bis zum Patienten“, sagt Sigurdsson.

Abbildung einer Saga Card von Controlant

Die Saga Card von Controlant passt in eine Medikamentenschachtel

Saga Card: Gemeinsame Innovation für eine effizientere Pharmalogistik

Die Saga Card wurde von Controlant in Zusammenarbeit mit einem Konsortium der Unternehmen Deutsche Telekom, Nordic Semiconductor, Avery Dennison, CCL Design, Imprint Energy und Sodaq entwickelt. Sie ist lediglich so groß wie – und etwas dicker als – eine Gesundheitskarte. Das hat gleich mehrere Vorteile. So passt sie in einen Karton oder gar in eine einzelne Schachtel mit Medikamenten. Der Weg und der Zustand des Produkts lassen sich also bis ins Regal der Apotheke – oder künftig potenziell in den Arzneischrank eines Patienten (s.u.) – verfolgen.


 

Mit unserer neuen Saga Card erweitern wir jetzt die Sichtbarkeit in der Lieferkette von der Produktion bis zum Patienten.”

– Gunnar Sigurdsson, Produktmanager bei Controlant


 

Wie die Saga Logger verfügt auch die smarte Karte über ausgefeilte Sensorik. Sie misst die Temperatur während des Transports und meldet bei Bedarf Abweichungen vom Grenzwert an die Cloudplattform von Controlant. „Wenn ein Container mit Medikamenten im Wert von Millionen von Dollar zu lange an einem Flughafen herumsteht und sich erhitzt, können wir zum Telefon greifen und verhindern, dass daraus ein Totalschaden wird“, sagt Sigurdsson. „Das passiert öfter, als man denkt.“ Die Hersteller können sich zudem über die Cloudplattform automatisch benachrichtigen lassen, wenn Störungen beim Transport eintreten.

Während der Entwicklung hat das Konsortium bei der Konstruktion des Geräts sorgfältig darauf geachtet, dass es den Anforderungen der Arzneimittelhersteller entspricht. Die Saga Card lässt sich auf dem gesamten Transportweg präzise lokalisieren. Selbst das Öffnen der Verpackung wird – unter anderem über einen Lichtsensor – registriert. So weiß bei Bedarf jeder in der Lieferkette, wann und wo das Medikament benutzt wurde und demzufolge wann die nächste Lieferung erfolgen muss. Ein Beschleunigungssensor erkennt, wenn sich eine Kiste in Bewegung setzt oder sich nicht mehr bewegt. Alle Informationen sind über die cloudbasierte Plattform von Controlant jederzeit abrufbar.


 

Für die weltweite zuverlässige und sichere Übertragung der Sensordaten in die Cloud nutzt Controlant das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT). Die Telekom garantiert mit ihren energieeffizienten IoT-Netzen NB-IoT und LTE-M sowie über Roamingabkommen mit mehr als 600 Partnern eine Abdeckung in vielen Teilen der Welt. „Neben Europa und Nordamerika sehen wir eine hohe Nachfrage aus aufstrebenden Märkten wie Türkei oder Indien“, sagt Sigurdsson. „Hier hat uns die Telekom ebenfalls unterstützt.“

Integrierte SIM für das Internet of Things

Die Mobilfunkstandards NB-IoT und LTE-M wurden speziell für energiesparsame IoT-Anwendungen wie die Saga Card entwickelt. Und im Inneren des schlanken Geräts arbeitet nicht etwa eine handelsübliche SIM-Karte, sondern die nuSIM der Telekom. Bei dieser SIM-Variante sind die SIM-Funktionen lediglich als Software Bestandteil des Kommunikationschips. Die Vorteile: Die nuSIM ist kostengünstig, sparsam im Energieverbrauch und sicher vor manuellem Zugriff oder äußeren Einflüssen wie Erschütterungen oder Temperaturschwankungen. Für die Saga Card besonders wertvoll: Die nuSIM nimmt keinen zusätzlichen Platz ein. Außerdem unterstützt die komplett digitale Bereitstellung der nuSIM-Daten eine zukünftige Massenproduktion.

  • 70 % der Patienten fürchten, dass sie Medikamente erhalten, die während des Transports unsachgemäß behandelt oder gelagert wurden
  • 82 % erwarten, dass Arzneimittelhersteller offenlegen, wie sie Medikamente transportieren bzw. lagern
  • 92 % der Pharmaunternehmen planen, künftig verstärkt in Lösungen für die Überwachung der Medikamentenproduktion und der Lieferkette zu investieren

(Quelle: Studie „Pharmaceutical Supply Chain Vision“)


 

„Die Zahl der Bauteile und der Elektronik zu verringern war wichtig für uns“, sagt Sigurdsson. „Wir haben die Saga Card so nachhaltig wie nur möglich konzipiert.“ Dazu trägt auch die Stromversorgung bei: Statt von einer Lithium-Batterie wird die Saga Card von einer auf Papier gedruckten Zink-Batterie angetrieben. Die ist – ähnlich wie die nuSIM – umweltfreundlicher, kostengünstiger und platzsparender und damit optimal für den flachen Formfaktor des Geräts.

Vorteile für alle Stakeholder

Die Kombination aus Design, Sensorik, nuSIM und IoT-Mobilfunk bietet allen Beteiligten in der Pharma-Lieferkette enorme Vorteile:

  • Erweiterte Ende-zu-Ende-Sichtbarkeit in der Supply Chain von der Produktion bis zum Patienten
  • Rechtzeitige Lieferung zum richtigen Ort in der geforderten Qualität
  • Echtzeit-Daten und Benachrichtigungen zu Standort und Zustand auch auf der letzten Meile möglich
  • Bessere Kontrolle über Lagerbestände und Transportfluss
  • Keine massiven Sicherheitsreserven mehr nötig
  • Keine fehlenden Lagerbestände für wichtige Medikamente
  • Reduzierte Quarantäne für Medikamente und Impfstoffe, wenn ihr Zustand während des Transports unklar war
  • Rechtzeitiges Erkennen von Unterbrechungen in der Kühlkette und Öffnen von Medikamenten
  • Enorme Reduzierung von Ausschuss
  • Umweltfreundlichere Technologie im Vergleich zu herkömmlichen Echtzeit-Monitoring-Lösungen
  • Sicher für den Transport zusammen mit Medikamenten sowie per Luftfracht

Gerüstet für die personalisierte Medizin

Im Jahr 2024 läuft eine Pilotphase mit mehreren großen Pharmakonzernen, um die Saga Card im Live-Betrieb zu testen. "Zunächst liegt der Fokus auf konkreteren Anwendungsfällen wie Ende-zu-Ende-Transparenz und verbesserter Bestandsüberwachung. Doch diese Technologie wird dazu beitragen, zukünftige Konzepte wie die personalisierte Medizin zur alltäglichen Realität werden zu lassen", sagt Sigurdsson. „Dann können wir bei Bedarf Medikamente bis in die Klinik oder gar zur Tür des Patienten verfolgen – selbstverständlich unter Einhaltung des Datenschutzes.“ Eine generelle Markteinführung ist laut Controlant für 2025 anvisiert.


 

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Gestapelte Container in einem Containerhafen
Annalena Rauen
Annalena Rauen

Marketing Managerin IoT

2016 hat Anna erstmalig IoT-Themen bei der Deutschen Telekom begleitet. Seitdem betreut sie Kunden Use Cases unterschiedlichster Branchen – immer fokussiert auf den Nutzen, den das Internet of Things generieren kann. Im IoT-Blog beschreibt sie echte Anwendungsfälle und welchen Mehrwert diese Innovationen für die Marktakteure, deren Geschäftsmodelle oder gar ganze Branchen bieten.